Untergang und Hoffnung: Die unbekannten Geschichten deutscher Passagiere auf der Titanic
Die faszinierende Geschichte der Titanic erlangte durch ihren dramatischen Untergang und die damit verbundenen menschlichen Schicksale Berühmtheit. Unter den über 2.200 Menschen, die an Bord waren, befanden sich 18 deutsche Staatsangehörige. Diese Zahl mag auf den ersten Blick gering erscheinen, doch ihre Geschichten sind tiefgründig und vielschichtig. Von wohlhabenden Passagieren über bescheidene Crewmitglieder bietet ihre Erzählung Einblicke in die verschiedenen Facetten des Lebens vor der Tragödie. Zur Zeit findet in Köln eine grosse Ausstellung über die Titanic statt.
Die historische Kulisse: Deutschland 1912
Im Jahr 1912 war das Deutsche Kaiserreich bedeutend größer als die heutige Bundesrepublik Deutschland. Viele der Deutschen an Bord der Titanic stammten nicht nur aus dem Kaiserreich, sondern auch aus Gebieten, die heute zu Polen und Russland gehören. Trotz der Herausforderungen der langen Reise schien der Traum von einem besseren Leben in Amerika viele Menschen anzuziehen.
Die Entscheidung, mit der Titanic zu reisen, war für einige Deutsche jedoch nicht die erste Wahl. Der Norddeutsche Lloyd und die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) boten ebenfalls komfortable und direkte Schiffsverbindungen an, welche die Anreise nach Amerika erleichterten. Diese Alternativen führten dazu, dass die Anzahl deutscher Passagiere an Bord eher gering blieb. Viele von ihnen lebten bereits in England oder den USA und hatten sich entschieden, die Titanic aus verschiedenen persönlichen Gründen zu wählen.
Das Leben an Bord: Geschichten deutscher Passagiere
Die Berichte der Passagiere geben uns einen tiefen Einblick in die Leben, Hoffnungen und Träume dieser Menschen.
Antoinette Flegenheim: Ein Leben zwischen New York und Berlin
Antoinette Flegenheim, geborene Wendt, war eine wohlhabende Witwe, die während ihrer Europareise am 10. April 1912 in Cherbourg an Bord der Titanic ging. Sie hatte eine luxuriöse Wohnung in Manhattan sowie eine in Berlin. Antoinette war auf einer Reise mit ihren Freunden, als die Tragödie geschah. Am Abend des 14. April zog sie sich früh in ihre Kabine zurück, doch der laute Schlag des Aufpralls und das darauffolgende Gerücht über die Kollision mit einem Eisberg führten zu Panik. Antoinette gelang es, in einem Rettungsboot zu entkommen. Ihre Erlebnisse nach der Katastrophe fanden großes Interesse, und sie trat später in verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen auf, um ihre Geschichte zu erzählen.
Amalie Henriette Gieger: Die loyale Zofe
Amalie Henriette Gieger, geboren in Kattenau, war als Zofe einer wohlhabenden Passagierin in der Ersten Klasse an Bord. Ihr Mut und ihre Treue zu ihrer Arbeitgeberin, Mrs. Widener, in der kritischen Nacht des 14. April sind besonders bemerkenswert. Zusammen gelang es ihnen, in eines der Rettungsboote zu entkommen. Amalies Schicksal steht exemplarisch für viele Angestellte, die während der Tragödie durch Loyalität und Engagement auffielen und oft zu stillen Heldinnen geworden sind.
Luise Kink: Auf der Suche nach einem neuen Leben
Luise Kink wanderte mit ihrem Ehemann Anton und ihrer kleinen Tochter von Zürich nach Amerika aus. Die Familie reiste in der Dritten Klasse und wurde getrennt. Während Anton es gelang, seine Familie zu erreichen, verloren sie einige Familienmitglieder, die ebenfalls die Titanic bestiegen hatten. Ihre dramatische Flucht auf das Rettungsboot ist nicht nur ein Beispiel für den Überlebenswillen, sondern auch eine Erinnerung an die Tragik, die viele Passagiere und deren Familien erlebten.
Crewmitglieder mit deutscher Herkunft
Unter den 6 deutschen Crewmitgliedern gab es verschiedene Geschichten, die die Vielfalt der Menschen, die auf der Titanic arbeiteten, widerspiegeln.
Pater Joseph Peruschitz: Ein Mönch in der Todesnacht
Pater Joseph Peruschitz war Benediktinermönch und reiste, um in Minnesota eine neue Klosterschule zu unterstützen. Er bot den Passagieren in den letzten Stunden Trost und Gebete. Obwohl ihm ein Platz in einem Rettungsboot angeboten wurde, lehnte er ab und blieb bei den Menschen, die sich in Panik befanden. Sein Mut und seine Loyalität machen ihn zu einem besonderen Teil der Titanic-Geschichte.
Richard Paul Jozef Pfropper: Der Steward als Lebensretter
Richard Pfropper war Salonsteward in der Zweiten Klasse und half vielen Passagieren, sicher in die Rettungsboote zu gelangen, darunter auch der bekannten Geliebten von Benjamin Guggenheim. Sein Einsatz und die Tatsache, dass er überlebte, spielten eine wichtige Rolle dabei, die Geschehnisse während des Untergangs der Titanic zu dokumentieren.
Die Ausstellung in Köln: Eine immersive Erfahrung
Die aktuelle Ausstellung „Titanic: Eine Immersive Reise“ in Köln bietet eine einzigartige Möglichkeit, in die Welt der Titanic und ihrer Passagiere einzutauchen. Modernste Technik und historische Originaldokumente werden kombiniert, um den Besuchern ein eindrucksvolles Erlebnis zu bieten. Diese Ausstellung führt Dich durch das Leben an Bord, die Atmosphäre in den verschiedenen Klassen und das Schicksal der Passagiere. Mehr zum Thema unter Köln trifft auf die Titanic: Eine emotionale Entdeckungstour durch die Geschichte
Öffnungszeiten:
- Montag, Dienstag, Mittwoch, Sonntag & Feiertage: 10 – 18 Uhr
- Donnerstag, Freitag, Samstag: 10 – 20 Uhr
Ab dem 17. April 2024 wird die Ausstellung zudem in Hamburg eröffnet, wodurch noch mehr Menschen die Möglichkeit haben, die bewegenden Geschichten der Titanic zu erleben.
Tickets sind online unter www.titanic-experience.com erhältlich.
Die Erzählungen der deutschen Passagiere und Crewmitglieder an Bord der Titanic sind nicht nur Geschichten von Tragödien und Verlust, sondern auch von Mut, Loyalität und Hoffnung. Die Ausstellung in Köln und Hamburg bietet die Gelegenheit, diese vielschichtigen Geschichten kennenzulernen und die menschlichen Schicksale hinter den Zahlen und Statistiken hervorzuheben. Jeder Passagier, jede Crewperson, die auf der Titanic war, hat eine Geschichte, die erzählt werden möchte.

Titanic: Eine immersive Reise in Köln (Foto ExHub)
Deutsche Passagiere an Bord der Titanic
Hier sind die Geschichten der deutschen Passagiere auf der Titanic ausführlicher dargestellt. Ihre Erlebnisse sind Zeugnisse von Hoffnung, Tragik und Mut, und jede Biografie eröffnet einen Fensterblick auf das Leben zur Zeit der Titanic.
1. Antoinette Flegenheim
Antoinette Flegenheim, geborene Wendt, wurde am 11. Mai 1863 in Berlin geboren. Nach dem Tod ihres Ehemannes Alfred Flegenheimer im Jahr 1907 wurde sie eine wohlhabende Witwe, die sowohl in New York als auch in Berlin lebte. Ihre Reise mit der Titanic war eine Europareise mit Freunden. Sie bestieg das Schiff am 10. April 1912 in Cherbourg, wo sie die Kabine D8 belegte. In der Nacht des 14. April war Antoinette schnell gezwungen, in Panik zu reagieren, als die Titanic mit einem Eisberg kollidierte. Sie versuchte, ihre Wertgegenstände abzuholen, was jedoch scheiterte. Dennoch gelang es ihr, in ein Rettungsboot (Nummer 7) zu steigen. Die Schreie der Ertrinkenden und die eisige Kälte während der Stunden des Wartens auf die Rettung durch die Carpathia waren traumatisch. Nach ihrer Ankunft in New York brach sie zunächst ihr Schweigen über die Tragödie, was zu öffentlicher Aufmerksamkeit führte. Antoinette heiratete am 20. Juni 1912 erneut und stellte später eine Schadensersatzforderung an die White Star Line. Ihre Lebensgeschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Wirkung persönlicher Tragödie und den Sozialwandel in der Nachkriegszeit.
2. Amalie Henriette Gieger
Amalie Henriette Gieger wurde im August 1866 im ostpreußischen Kattenau geboren. Sie wuchs in einer Schneiderfamilie mit vier Schwestern auf und arbeitete später in wohlhabenden Haushalten. Amalie war als persönliche Zofe von Mrs. Widener in der Ersten Klasse auf der Titanic. Gemeinsam mit ihrer Arbeitgeberin nahm sie die Reise in der Hoffnung auf ein neues Leben auf. Bei der Kollision mit dem Eisberg am 14. April 1912 blieb Amalie an der Seite ihrer Arbeitgeberin, was in diesen kritischen Momenten entscheidend war. Sie gelangte in Rettungsboot 4 und überlebte den Untergang. Amalie blieb bis in die späten 1920er Jahre im Dienst der Familie Widener, was ihre Loyalität und Hingabe unterstreicht. Sie starb am 14. November 1933 in New York. Ihre Geschichte zeigt, wie sich Loyalität und Dienst an anderen in größten Krisen manifestieren können.
3. Luise Kink
Luise Kink, geboren am 21. März 1886 in Enzberg (Württemberg), wanderte mit 20 Jahren in die Schweiz aus, wo sie 1908 einen Österreicher heiratete. Die Familie Kink reiste mit ihrem Baby und Anton Kinks Geschwistern in der Dritten Klasse. Luise und ihre Tochter wurden aufgrund der Kabinenaufteilung getrennt von Anton, der in der oberen Deckssektion untergebracht war. In der Nacht des Untergangs eilte Anton zu seiner Familie und wollte sie wecken. Die Familie schaffte es schließlich, in das Rettungsboot 2 zu gelangen, wobei sie jedoch den Kontakt zu anderen Familienmitgliedern verloren. Nach ihrer Rettung reisten die Kinks nach Milwaukee, Wisconsin, wo sie ihre Geschichte als Überlebende der Titanic öffentlich teilten. Luise sprach kaum Englisch, lebte zurückgezogen und sprach nie über ihre Erlebnisse. Sie starb im Alter von 93 Jahren und hinterließ eine stille, aber bedeutende Geschichte von Überleben und Resilienz.
4. Emilie Kreuchen
Emilie Kreuchen wurde am 1. Oktober 1882 in Oldisleben (Thüringen) geboren. Nach der Trennung ihrer Familie lebte sie bei ihren Großeltern in den USA und arbeitete als Zofe in wohlhabenden Haushalten. Im Frühjahr 1912 besuchte sie ihre Familie in Deutschland und kehrte am 10. April 1912 als Passagierin der Ersten Klasse zurück zur Titanic. In der Nacht des Untergangs war Emilie in ihrer Kabine, als sie das Wasser eindringen sah. Sie reagierte schnell, war jedoch verzweifelt, da die Situation chaotisch wurde. Schließlich überlebte sie in Rettungsboot 2, aber ihre Wertsachen blieben im Safe zurück. Nach ihrer Ankunft in New York kehrte sie erst nach Deutschland zurück, bevor sie 1916 erneut in die USA auswanderte und in San Francisco lebte. Emilies Leben zeugt von Mut und Entschlossenheit in einer Zeit voller Herausforderungen.
5. August Meyer
August Meyer wurde am 26. Mai 1880 in Rhoden (Hessen) geboren und hatte eine Bäckerlehre in der Familie absolviert. Er wanderte 1905 nach London aus, um bei seinem Bruder zu arbeiten. Die Reise mit der Titanic am 10. April 1912 war sein Versuch, ein neues Leben in Amerika zu beginnen. Das Ticket kostete ihn 13 Pfund. Tragischerweise starb August beim Untergang der Titanic, und sein Leichnam wurde nie gefunden. Ein Detail, das auf seinen Freund Michel Navratil hinweisen könnte, ist, dass eine Visitenkarte von ihm bei dessen Leiche gefunden wurde. Augusts Geschichte ist ein trauriger Beleg dafür, wie der Traum von einem besseren Leben oft tragische Wendungen nehmen kann.
6. Joseph Peruschitz
Joseph Peruschitz wurde 1871 in Bayern geboren und war Benediktinermönch. Er reiste mit der Titanic, um bei der Gründung einer neuen Klosterschule in Minnesota zu helfen. Pater Joseph blieb während des Untergangs an Bord und bot den Passagieren Beistand. Er lehnte ein Platz in einem Rettungsboot ab und blieb bei den Panik ergriffenen Menschen bis zuletzt. Sein mutiger Einsatz und sein uneigenütziger Glauben machen ihn zu einer inspirierenden Figur, die für den menschlichen Geist und den Glauben in der Dunkelheit steht.
7. Franz Pulbaum
Franz Pulbaum wurde 1884 geboren und wanderte 1907 in die USA aus. Auf der Titanic war er als Maschinist auf dem Rückweg von Frankreich nach New York. Franz kam aus einem bescheidenen Hintergrund in Deutschland, wo er erfolgreich einen Job als Maschinist hatte. Leider ertrank er beim Untergang. Pulbaums Geschichte bleibt durch die Entdeckung persönlicher Gegenstände, die 1993 am Wrack geborgen wurden, lebendig und zeigt die Herausforderungen und Hoffnungen der damaligen Auswanderer.
8. Emma Schabert
Emma Schabert kam 1876 in New York zur Welt und war die Tochter deutscher Auswanderer. Im Laufe ihrer Kindheit pendelte ihre Familie zwischen Europa und den USA. Emma heiratete Paul Schabert, einen Hamburger Geschäftsmann, und lebte sowohl in den USA als auch in Deutschland. Bei der Überfahrt mit der Titanic am 10. April 1912 war sie in der Ersten Klasse an Bord, zusammen mit ihrem Bruder. Bei der Kollision mit dem Eisberg schaffte es Emma, in eines der Rettungsboote zu gelangen, und entkam der Katastrophe. Nach ihrer Rettung erlebte sie die traurigen Wirkungen des Unglücks in ihrem persönlichen Leben und war Teil der vielen Geschichten von Überlebenden, die die Erinnerung an die Tragödie lebendig hielten.
9. Ernst Törber
Ernst Törber, geboren 1870 in Mecklenburg, war ein stiller Passagier der Dritten Klasse. Er hoffte, zusammen mit seinem Bruder, der ein angesehener Butler in den USA war, ein neues Leben zu beginnen. Ernst überlebte den Untergang der Titanic nicht, und seine Leiche blieb unentdeckt. Seine Geschichte ist Symbol für die vielen, die in der Dritten Klasse reisten und oft auf das neue Leben hofften, nur um in den unvorstellbaren Ereignissen des Unglücks zu enden.
10. Leo Zimmermann
Leo Zimmermann wurde am 20. Februar 1883 in Todtmoos geboren und reiste in der Dritten Klasse mit der Hoffnung, zu seinem Bruder nach Kanada zu gelangen. Leo ist ein Beispiel für die vielen Träumer, die auf der Titanic waren, und sein Verlust wurde in den Medien damals kommentiert. Nach der Katastrophe meldeten lokale Zeitungen fälschlicherweise, er sei überlebt und an Bord der Olympic. Tatsächlich war Leo jedoch eines der vielen Opfer der Titanic-Tragödie.
11. Emil Christmann
Emil Christmann, geboren 1883 in Nemmersdorf, war ein Kaufmann, der auf Geschäftsreise in die USA ging. Er hatte zuvor geschäftliche Verbindungen nach New York und wollte erneut die Reise antreten. Emil war als Passagier der Dritten Klasse unterwegs und überlebte den Untergang nicht. Seine Leiche wurde ebenso wenig geborgen. Emil zeigt die Erfahrungen der Migranten, die versuchten, im neuen Land Geschäfte aufzubauen, und ist Teil der vielen tragischen Geschichten rund um das Titanic-Unglück.
12. Alfred Nourney: Der Lügenbaron aus Köln
Alfred Nourney* wurde am 26. Februar 1892 in eine wohlhabende Kölner Kaufmannsfamilie geboren, deren Reichtum durch den Weinhandel erworben wurde. Trotz dieser privilegierten Herkunft war Alfred ein Schulversager; ein Abschluss blieb ihm verwehrt. Er besuchte das Evangelische Pädagogium in Bad Godesberg, wo er jedoch nicht aus dem Schatten seiner erfolgreichen Familie heraustreten konnte. 1912 vollzog sich eine dramatische Wendung in seinem Leben, als seine Mutter den jüdischen Anwalt Arthur Wolff heiratete, der nur vier Jahre älter war als Alfred. Diese familiäre Situation verstärkte den Druck auf den jungen Mann.
Am 10. April 1912 brach Alfred Nourney in ein neues Kapitel seines Lebens auf, als er in Cherbourg die Titanic bestieg. Mit seinen gerade einmal 20 Jahren hatte er bereits eine dunkle Geheimnis hinter sich: Eine außereheliche Schwangerschaft mit der Tochter des Familienzahnarztes hatte ihm diverse gesellschaftliche Probleme eingebracht. Um dieser Aufregung in Köln zu entkommen, zahlte er einen erheblichen Aufpreis für ein Ticket in der Ersten Klasse und wählte den Titel „Baron Alfred von Drachstedt“ als Tarnung. Er bezog die Kabine D 38 und genoss die Luxusangebote, die die Titanic zu bieten hatte.
In einem Brief an seine Mutter teilte Alfred seine Aufregung mit: „Ich kenne schon sehr nette Leute! Einen Brillantenkönig! Mister Astor, einer der reichsten Amerikaner, ist an Bord.“ Diese Bemerkung spiegelt nicht nur seine Sehnsucht nach Anerkennung wider, sondern zeigt auch seinen Drang, sich in der Gesellschaft zu präsentieren.
Die Nacht des 14. April 1912 brachte dann die Katastrophe mit sich. Alfred saß im Rauchsalon der Ersten Klasse und spielte Karten, als die Titanic den Eisberg rammte. Trotz der dramatischen Umstände ließen er und seine Mitspieler sich nicht beirren und setzten ihr Spiel fort, bis die Lage ernst wurde und die ersten Rettungsboote zu Wasser gelassen wurden. Alfred war einer der ersten Passagiere, die Boot Nummer 7 bestiegen und damit dem Tod entgingen.
Nach seiner Rettung an Bord der Carpathia verwandelte sich sein Verhalten schnell in das einer weniger rühmlichen Art. So nahm er sich Decken, die für andere Überlebende vorgesehen waren, und machte es sich im Rauchsalon bequem, bis Passagiere ihn entdeckten und die Decken zurückforderten. Es war ein enttäuschendes Bild, das seine Selbstsucht und Ignoranz in einer Zeit der Not offenbarte.
Nach der Wiedervereinigung mit der Zivilisation versuchte Alfred, seine Familie per Telegramm zu informieren. Dabei beklagte er den Verlust seines gesamten Vermögens, das er mit der Titanic verloren hatte. Auf seine eigene Art manifestierte sich sein Verlust in einer detailreichen Schadensliste, die er anfertigte und die Entschädigungen für verlorene Kleidung, Schmuck und Bargeld anforderte.
Seine Abenteuerlust blieb ungebrochen, und in einem Brief an einen Freund äußerte er den Wunsch, nach San Francisco zu reisen, um Zeit in den Rocky Mountains zu verbringen und „Freundschaft mit Cowboys“ zu schließen. Beiläufig erwähnte er in diesem Zusammenhang seinen Stolz darauf, den Untergang der Titanic überlebt zu haben, wobei er die Erzählung mit einer embellierten Geschichte über vier Stunden Schwimmen im kalten Wasser ausschmückte, bis er gerettet wurde.
In den folgenden Jahren versuchte Alfred, ein neues Leben zu führen, und war in verschiedenen Berufen tätig, darunter Gebrauchtwagenhändler. Seine Erlebnisse an Bord der Titanic vergaß er jedoch nicht. In einem Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk in den 1960er Jahren erinnerte er sich eindringlich an die Tragödie und verglich das Schreien der ertrinkenden Menschen mit „Sirenengeheul“, was seine schockierende Unempfindlichkeit gegenüber den Geschehnissen unterstrich.
Alfred Nourney verstarb 1972 und hinterließ eine Geschichte, die sowohl Exzentrik als auch Mut und Selbstinszenierung verkörpert. Seine Reise begann als „Baron von Drachstedt“ und endete mit der Erinnerung an ihn als Überlebenden eines der größten Schiffsunglücke der Geschichte. Heute ruht er auf dem Melaten-Friedhof in Köln, nur wenige hundert Meter von einer Ausstellung entfernt, die an die Titanic erinnert und die unvergesslichen Schicksale der Menschen an Bord ehrt. Sein Leben bleibt ein eindrucksvolles Zeugnis für die menschliche Neigung, sowohl Träumer als auch Überlebenskünstler zu sein, selbst unter den widrigsten Umständen.
*Quelle: Malte Fiebing-Petersen, Deutscher Titanic-Verein
Die Schicksale dieser deutschen Passagiere laden uns ein, über die persönlichen Geschichten und den Mut nachzudenken, der nötig war, um eine Reise voller Hoffnung anzutreten. Jede dieser Lebenserzählungen ist eine kleine, aber bedeutende Puzzlestück im großen Mosaik der Titanic-Geschichte und erinnert uns daran, dass hinter jeder Zahl ein Mensch mit Träumen, Ängsten und Hoffnungen steht.
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