Mehr Tempo beim Ausbau von Landstromanlagen gefordert – Hurtigruten setzt klare Zeichen für emissionsfreie Kreuzfahrten
Beim 6. Decarbonizing Shipping Forum in Hamburg hat Gerry Larsson-Fedde, COO von Hurtigruten, deutliche Worte an die Häfen gerichtet: „Eine emissionsfreie Passagierschifffahrt ist realistisch in Reichweite – aber nur, wenn wir alle im gleichen Tempo daran arbeiten.“ Seine zentrale Forderung lautet, den Ausbau der Landstrom-Infrastruktur deutlich zu beschleunigen.
Für Hurtigruten ist klar: Strom ist die einzige bewährte Technologie, um emissionsfrei auf See zu reisen. Larsson-Fedde betont, dass Unsicherheiten und fehlende Verfügbarkeit alternativer Energien für Reedereien ein erhebliches Risiko darstellen. „Wir stehen mitten in der Entwicklung unseres Sea-Zero-Schiffes, das vollständig elektrisch fahren wird. Im Prinzip könnten wir morgen mit dem Bau beginnen“, so Larsson-Fedde.
Forderung nach mindestens fünf Häfen mit Landstromanlagen entlang der norwegischen Küste
Doch ein entscheidender Engpass besteht: „Wir brauchen mindestens fünf Häfen entlang der norwegischen Küste, in denen wir das Schiff laden können. Bis heute gibt es nur drei Häfen mit entsprechender Hochleistungs-Ladeinfrastruktur – und in einem davon mussten wir die Verbindung selbst bauen.“
Die Kritik an Häfen, die den Ausbau von Landstromanlagen zu langsam vorantreiben, wird von Larsson-Fedde klar formuliert. Auf die Aussage, dass einige Kreuzfahrtunternehmen aus Kostengründen auf Landstrom verzichten, antwortet er: „Solche Ausreden hören wir ständig. Die Kosten sind kein Hinderungsgrund. Wir investieren viel und gehen große Risiken ein, trotz der Unsicherheiten bei Infrastruktur und regulatorischem Rahmen.“ Hurtigruten hat bereits über 100 Millionen Euro in die Hybridisierung der Flotte investiert. „Ich kann unsere Eigner kaum um weitere 300 Millionen Euro für ein emissionsfreies Schiff bitten, wenn ich nicht weiß, ob es überhaupt fahren kann.“
Die Verantwortung für den Wandel sieht Larsson-Fedde nicht nur bei den Häfen, sondern auch bei Zulieferern, Mitbewerbern, Behörden und dem eigenen Unternehmen. „Wir alle haben in der Vergangenheit zu viel Energie verbraucht. Unser erstes Ziel ist deshalb: weniger Verbrauch an Bord. In unserer bestehenden Flotte holen wir aus jedem System das Maximum heraus.“ Dieses Vorgehen reduziert Emissionen und spart Geld, das in die Zukunft mit Sea Zero investiert wird.
Deutliche Kritik von Hurtigruten COO an Mitbewerber
Für die Mitbewerber hat er eine klare Botschaft: „Wenn die Kreuzfahrtbranche genauso viel Energie in emissionsfreie Lösungen gesteckt hätte wie in neue Entertainment-Angebote an Bord, wären wir heute sehr viel weiter.“
Auch die Gäste sollen künftig aktiv zum Energiesparen beitragen. Das Sea Zero Schiff wird mit grossflächigen Solarpaneelen ausgestattet. „Im Sommer nutzen wir die Mitternachtssonne, um Strom zu erzeugen – unsere Gäste können damit ihre Handys laden“, erklärt Larsson-Fedde. Über eine App können sie zudem den Energieverbrauch ihrer Kabine bewusst steuern.
Der technische Fortschritt bei der Batterietechnologie zeigt, wie schnell sich die Entwicklung vollzieht: „Als wir mit der Planung begannen, rechneten wir mit 60 Megawattstunden Batteriekapazität. Heute sind wir bei 74 – und bis zum Baustart sind 100 Megawattstunden realistisch.“ Damit wäre eine Reichweite von 300 Seemeilen (550 Kilometern) möglich – ein Vielfaches heutiger Schiffe mit Batterieantrieb.
Bau des ersten emissionsfreien Postschiffs hängt von politischen Entscheidungen ab
Wann der Bau beginnt, hängt von politischen Entscheidungen ab: „Unsere Postschiffe fahren im Rahmen eines Vertrags mit der norwegischen Regierung, der 2031 erneuert wird. Derzeit wird in Oslo beraten, wie die neuen Anforderungen auf der Route aussehen sollen. Erst wenn die Spezifikationen festgelegt sind, kann ein Schiff bestellt werden – und wir das erste emissionsfreie Postschiff Norwegens auf den Weg bringen.“
Für Larsson-Fedde steht fest: „Sea Zero ist eine norwegische Gemeinschaftsleistung – ein Leuchtturmprojekt. Wir entwickeln es mit einem Dutzend lokaler Partner, von Schiffbauern über Antriebsspezialisten bis zur staatlichen Seefahrtsbehörde. Dieses Schiff bauen wir alle zusammen.“
Mit dieser klaren Botschaft zeigt Hurtigruten, wie wichtig der Ausbau der Landstrom-Infrastruktur für die grüne Zukunft der Kreuzfahrten ist. Nur gemeinsam und mit deutlich mehr Tempo kann die Schifffahrt wirklich emissionsfrei werden.